Vereinfachtes Ersatzmodell zur Prozesssteuerung beim Walzrunden großer Blechdicken

Das Walzrunden ist ein Fertigungsverfahren, mit dem Bleche zu Rohr- und Schalenelementen rundgebogen werden. Bei der industriellen Verarbeitung von Grobblechen kleiner Losgrößen wird das Verfahren derzeit rein manuell gesteuert. Dies hat zur Folge, dass die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Prozesses maßgeblich von der Erfahrung des Anlagenbedieners abhängen.

Potenzielle Anwendungsgebiete im Flugzeugbau
© Fraunhofer IGP
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Lösungskonzept

Um das Walzrunden optimieren zu können, wird im Rahmen des Projekts ein Steuerungsansatz basierend auf dem Konzept der „künstlichen Intelligenz“ entwickelt. Hierzu wurde ein einfaches Modell für die Blechgeometrie entwickelt, das in Verbindung mit einem künstlichen neuronalen Netz (KNN) das Umformverhalten eines Blechs in Echtzeit prognostizieren kann. Um maschinelles Wissen zu generieren, wird dieses Prognosemodell mit einer messtechnischen Prozessüberwachung gekoppelt. Diese wird an der realen Rundbiegemaschine eingesetzt, um das tatsächliche Umformverhalten messtechnisch zu erfassen und die Informationen in Echtzeit an das KNN zurückzuführen, welches darauf aufbauend seine Prognose anpassen kann.

Perspektivisch kann dieser Steuerungsansatz zur Automatisierung des Verfahrens direkt mit der Steuerung von Rundbiegemaschinen verbunden werden, wodurch die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens besonders für KMU nachhaltig verbessert werden kann.

Echtzeitfähige Modellierung des Umformverhaltens

Für die Entwicklung eines echtzeitfähigen Prognosemodells für das Umformverhalten der Bleche wurde der Umformprozess zunächst mithilfe von Finite-Elemente-Simulation analysiert. Hierzu wurde ein detailliertes FE-Modell des Prozesses aufgebaut. Um dabei auch den Einfluss von Eigenspannungen im Blech auf das Umformergebnis untersuchen zu können, wurde der charakteristische Eigenspannungszustand in praxisrelevanten Grobblechen experimentell ermittelt und anschließend in das Modell implementiert. Mit dem FE-Modell wurde eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt und untersucht, welche Einflussgrößen maßgeblich für das Umformergebnis sind und demzufolge bei der Entwicklung des Prognosemodells berücksichtigt werden müssen.

Aufbauend auf den gesammelten Erkenntnissen wurde ein vereinfachtes geometrisches Ersatzmodell entwickelt, mit dem die Umformung eines Blechs recheneffizient nachgebildet werden kann. Dieses basiert auf einer Diskretisierung des Blechs in Rechteckelemente, die anhand eines Biegewinkels relativ zueinander geneigt werden können, wodurch das Rundbiegen des Blechs nachgebildet werden kann. Für die Berechnung der Biegewinkel zwischen den einzelnen Elementen wird ein künstliches neuronales Netz verwendet, das mithilfe der Daten aus der Finite-Elemente-Analyse trainiert wurde. Die entwickelte Modellstruktur ist insgesamt sehr recheneffizient und kann für Umformprognosen in Echtzeit verwendet werden.

Messtechnische Prozessüberwachung

Für die Erfassung des realen Umformverhaltens wurde eine kostengünstige Prozessüberwachung entwickelt, die praktikabel an bestehenden Anlagen nachgerüstet werden kann. Die Prozessüberwachung besteht aus einem optischen Laserdistanzsensor, der ausgehend von einem fixen Referenzpunkt den Abstand zum Blech misst und daraus Informationen über dessen Verformungszustand ableitet. Damit die aufgezeichneten Messdaten mit der Prognose des KNN abgeglichen werden können, müssen diese auf den Vorschub des Blechs referenziert werden. Hierzu soll der Vorschub des Blechs über einen Drehgeber ermittelt werden, der an eine Walze der Rundbiegemaschine angelegt wird.

Ausblick

Im weiteren Projektverlauf wird die Prozessüberwachung finalisiert und deren Funktionsfähigkeit an einem Laborprüfstand nachgewiesen. Im Anschluss daran wird der zusammengenommene Steuerungsansatz bei einer realen Rundbiegemaschine implementiert und die Genauigkeit der Umformprognose untersucht.

 

Förderhinweise

Das Projekt „Vereinfachtes Ersatzmodell zur Prozesssteuerung beim Walzrunden großer Blechdicken“ wird als Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung unter der Fördernummer AiF-Nr. 20444BR/1 von der Forschungsvereinigung Schiffbau und Meerestechnik e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.