In der Strukturmontage des Automobilbaus zählen selbststanzende Fügeverbindungen, angesichts ihrer guten Automatisierbarkeit der wenigen Fertigungsschritte und der Möglichkeit einer vollständigen Setzprozessüberwachung, zu den etablierten Fügeverfahren. Die gesteigerte Produktivität im Fügeprozess korreliert direkt mit der Fertigungszeit und den Fertigungskosten. Folglich sehen neuere Entwicklungen den Einsatz dieser Fügetechnologie auch in der Montage von Flugzeugrumpfsegmenten oder Sekundärstrukturen wie Halterelementen vor.
Problemstellung und Motivation
Zum Fügen höherfester Strukturbauteile aus Aluminiumlegierungen werden üblicherweise Nietelemente aus Stahl verarbeitet. Doch angesichts der Recyclingfähigkeit, einer erhöhten Korrosionsgefahr sowie deutlicher Unterschiede im Wärmeausdehnungsverhalten, werden geeignete Nietelemente aus Aluminium (Al) als sehr erstrebenswert erachtet. Starke Impulse hierzu kommen insbesondere aus dem Bereich des Flugzeugbaus. Bereits in einem Vorgängerprojekt konnte eine geeignete Aluminiumlegierung als Nietwerkstoff qualifiziert und mit den neu entwickelten Vollstanznieten (VSN) höherfeste Aluminiumbleche gefügt werden. Eine zentrale Aufgabe des hieran anknüpfenden Forschungsprojekts besteht darin, die Einsatzgrenzen der Al-VSN hinsichtlich praxisrelevanter Gesamtblechdicken (≥ 3 mm) für hochfeste Al-Legierungen zu erweitern sowie die Qualität und die Einsatzfähigkeit der Verbindungen sicherzustellen.
Lösungskonzept
Optimierung von Niet und Nietwerkzeug
Die Erweiterung der Einsatzgrenzen erfolgt durch die gezielte geometrische Anpassung des Niets und der dazugehörigen Werkzeuge. Dies wird numerisch durch den Aufbau eines parametrisierten Modells und die Verwendung eines Optimierungsprogramms realisiert. Anstelle der bisher üblichen Vorgehensweise, bei der nacheinander folgend einzelne Parameter manuell variiert werden, können mithilfe des parametrisierten Modells zusammen mit einer Sensitivitätsanalyse und der Verwendung des Optimierungsprogramms (LS-OPT) schnell und effizient geeignete Parameter für die angestrebte Fügeaufgabe ermittelt werden. Dazu zählen neben der Fußgeometrie weitere Einstellparameter wie die Anzahl, Geometrie und Anordnung der Schaftrillen des VSN als auch die Prägeringgeometrie (Höhe / Breite / Radius) des Nietwerkzeugs. Die realitätsnahe Abbildung des Fügeprozesses setzt zudem ein geeignetes Material- und Schädigungsmodell voraus, bspw. in Form des GISSMO-Modells. Im Rahmen unterschiedlicher experimenteller Prüfungen werden die benötigten mechanisch-technologischen Materialkennwerte ermittelt, die als Eingangsparameter zur fundierten Beschreibung des Material- und Schädigungsverhaltens in der Simulation dienen.
Experimentelle Validierung
Die in der Simulation ermittelten Vorzugsvarianten für die Niet- und Werkzeuggeometrie werden anschließend experimentell validiert und die Verbindungen genauer charakterisiert. Als Qualitätsmerkmale dienen z. B. Größen wie der Rillenfüllgrad, die Nietkopfendlage, die Nietstauchung oder die Fügepunktsymmetrie, welche anhand von Querschliffen in makroskopischen Untersuchungen bestimmt werden. In den weiterführenden experimentellen Prüfungen wird das Tragverhalten der gewählten Al-VSN-Verbindungen unter einer quasistatischen als auch unter zyklischer Last ermittelt und der Tragfähigkeit von Referenz Stahl-VSN-Verbindungen gegenübergestellt. Der Vergleich des Tragverhaltens von Al-VSN zu konventionellen VSN aus Stahl führt zu einer Abschätzung der Einsatzfähigkeit und der Etablierung am Markt.
Nutzen
Durch die erarbeiteten Kenntnisse im Bereich der Einsatzgrenzen, der Verarbeitung und des Tragverhaltens können Vollstanznietverbindungen, die als Stahl-Aluminium-Mischverbindung ausgeführt sind, durch die effiziente Al-VSN-Technologie substituiert und somit optimiert werden. Da die Erweiterung der Einsatzgrenzen am Beispiel der Al-Legierung EN AW-2024 T351 aus dem Flugzeugbau erfolgt, die eine erhöhte max. Festigkeit im Vergleich zu den typischen Al-Legierungen aus dem Automobil- und Schienenfahrzeugbau aufweist, erfüllt die entwickelte Niet- und Werkzeuggeometrie höchste fügetechnische Anforderungen und kann branchenübergreifend eingesetzt werden. Nicht zuletzt befähigt die Beschreibung des methodischen Vorgehens innerhalb der Simulationsumgebung Berechnungsdienstleister diese anzuwenden und auf andere Fügeverfahren zu übertragen.