Strenge Brandschutzbestimmungen verhindern im kommerziellen Schiffbau den Einsatz von Faserkunststoffverbunden. Vorteile der Materialien (u.a. Leichtbau, Gestaltungfreiheit, Korrosionswiderstand) können so nicht genutzt werden. Die einzige Möglichkeit, um die strengen Zulassungen zu erreichen, besteht in der Substitution der organischen Matrizes durch anorganische, nichtbrennbare Systeme. Diese enthalten keinen Kohlenstoff und sind bis zu Temperaturen von über 1000°C beständig. Negative Begleiterscheinungen unter Flammeinwirkung wie Rauchgasentwicklung oder brennendes Abtropfen existieren nicht.
Die Anwendung der anorganischen Matrixsysteme erfolgt prinzipiell ähnlich zu klassischen Reaktionsharzen. Allerdings fehlen grundlegende Kenntnisse bezüglich Verarbeitungsparameter, Faser-Matrix-Interaktion sowie Bauteileigenschaften. Die Zielstellung des Projekts besteht deshalb in der Schaffung von Anwendungsgrundlagen sowie der Definition eines Prozessfensters für die Fertigung von Kompositbauteilen auf Basis anorganischer Matrices.
Das im Rahmen des Projekts entwickelte anorganische Matrixsystem besteht aus einer stark alkalischen Flüssigkeitskomponente, die hohe Anforderungen an die chemische Beständigkeit der eingesetzten Verstärkungsfasern stellt. Deshalb wurde zunächst die Eignung verschiedener Faserarten anhand von Auslagerungsversuchen in der Flüssigkeit untersucht. Herkömmliche E-Glasfasern erwiesen sich als vollkommen ungeeignet. Sie zersetzen sich im Verlauf der Auslagerung immer weiter. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen verdeutlichen die Auflösung der oberen Faserschichten. Spezielle AR-Glasfasern waren dagegen erwartungsgemäß resistent gegenüber dem alkalischen Milieu. Sehr geringe Massenverluste (< 1%) lassen sich ausschließlich auf den Verlust der organischen Schlichte zurückführen.
Die pulverförmige Feststoffkomponente des anorganischen Matrixsystems verhindert die Durchführung von Infusions- oder Injektionsverfahren zur Herstellung von Laminaten oder Bauteilen. Die Partikel werden durch die Faserverstärkungen ausgefiltert und das Matrixsystem kann in der Folge nicht mehr aushärten. Aus diesem Grund wurde die Verarbeitbarkeit verschiedener Faserhalbzeugformen mittels Handlaminierverfahren sowie einer entwickelten Imprägnier-Vorrichtung bestehend aus zwei profilierten Walzen untersucht. Probekörper aus den gefertigten Handlaminaten wurden anschließend Drei-Punkt-Biegeprüfungen unterzogen. Die Verarbeitungsversuche belegten die gute Durchlässigkeit von offenen Geweben und Wirrfasermatten für die anorganische Matrix. Diese Faserhalbzeuge eignen sich somit für die Herstellung nichtbrennbarer Kompositbauteile. Biaxial- und UD-Gelege dagegen nehmen unabhängig von der Faserart kaum bis gar kein Matrixmaterial auf. Die geringen Abstände der Fasern (Filamente) und Faserbündel (Rovings) ermöglichen keine Durchdringung der Matrix, so dass in den entsprechenden Laminaten eine vollständige Trennung zwischen trockenen Faserlagen und Matrixschichten zu erkennen ist. Die Biegefestigkeiten der Gewebe- und Wirrfaserlaminate sind demzufolge deutlich besser.
Eine genauere Betrachtung der Schnittflächen verdeutlicht aber auch bei den Gewebelaminaten die durchgehend schlechte Imprägnierung der einzelnen Filamente. Aufgrund der fehlenden Kompatibilität zwischen polymerer Schlichte und wasserbasierter Matrix werden die Rovings als Ganzes ummantelt, die einzelnen Filamente sind aber nicht im Kontakt mit der Matrix. Zur Realisierung einer guten Faser-Matrix-Anbindung muss die üblicherweise verwendete Silanschlichte von der Oberfläche der Fasern entfernt werden, da diese mit dem wasserbasierten Matrixsystem nicht kompatibel ist. Erste Versuche sowohl mit chemischen als auch thermischen Faser-Vorbehandlungen wurden hierzu bereits durchgeführt und unter anderem anhand von Schliffbildern bewertet.