HybridComp

Brandbeständige Hybrid-Faserverbundwerkstoffe auf Basis optimierter organisch-anorganischer Systeme

© Fraunhofer IGP
Angestrebte Eigenschaften hybrider FVW durch Kombination organischer und anorganischer Systeme (schematisch)

Herausforderung

Der Einsatz von Faserverbundwerkstoffen (FVW) auf Basis anorganischer Matrixsysteme stellt einen Weg dar die strengen Brandschutzanforderungen der IMO (International Maritime Organization) in der kommerziellen Schifffahrt zu erfüllen und der Hemmung des Einsatzes von Faserverbundkunststoffen (FVK) entgegenzuwirken. Neben chemisch gebundenen Phosphatkeramiken können hierzu verschiedene kalthärtende, wasserbasierte Systeme, wie Geopolymere als Matrix genutzt werden. Ein optimaler Leichtbau ist mit diesen Werkstoffen aber nicht umsetzbar. So zeigte sich im AiF-Vorhaben AnorKomp, dass zum einen nur niedrige Faservolumengehalte realisiert werden können. Zum anderen erweist sich die Faser-Matrix-Anbindung infolge fehlender Kompatibilität zwischen anorganischer Matrix und organischer Faserschlichte als unzureichend. Folglich können keine mit FVK vergleichbaren mechanischen Eigenschaften erreicht werden. Die hohe Sprödigkeit und Bildung von Schrumpfrissen bei der Aushärtung machen den Einsatz rein anorganischer FVW für (semi-) strukturelle Bauteile deshalb nicht möglich.

Gegenüber den vornehmlich im Boots- und Yachtbau aber auch im Schienenfahrzeugbau und der Luftfahrt eingesetzten temperaturbeständigen oranischen Matrixsytemen wie Phenol-, Cyananester- und Vinylesterharzen, bieten Benzoxazine eine Klasse hochtemperatur- und flammbeständiger duromerer Kunststoffe mit für strukturelle Anwendungen günstigen Materialeigenschaften. Jedoch besteht auch für die im Schiffbau geltenden Anforderungen bezüglich der Temperatur- und Flammbeständigkeit bei Benzoxazin-basierten FVK Weiterentwicklungsbedarf.

Zusammenfassend können damit weder rein anorganische Faserverbundwerkstoffe noch die bisher aus anderen Anwendungsbereichen bekannten temperaturbeständigen, polymeren Werkstoffe den komplexen Anforderungen des Schiffbaus gerecht werden.

Zielstellung und Lösungsweg

Ziel des Forschungsvorhabens „HybridComp“ der beiden Forschungseinrichtungen Fraunhofer IGP (Rostock) und Fraunhofer IFAM (Bremen) ist deshalb eine Kombination von organischen und anorganischen Matrixsystemen zur Herstellung brandbeständiger Hybrid-FVW. Hierfür ist der Einsatz von Benzoxazinen und Geopolymeren mit Glasfaserverstärkung vorgesehen. Durch die Kombination der jeweils positiven Eigenschaften von organischen FVK (grün) und anorganischen FVW (blau) sollen Faserverbundbauteile mit insbesondere verbesserten mechanischen und Brandschutzeigenschaften zum Einsatz im Schiffbau realisiert werden (Abbildung 1, rot).

Die Umsetzung der hybriden FVW soll zum einen mit einer homogen gemischten Hybridmatrix (Homo-Hybrid-FVW) und zum anderen mit FVW bestehend aus abgegrenzten organischen und anorganischen Einzelschichten (Hetero-Hybrid-FVW) erfolgen (Abbildung 2).

Im Fokus steht zunächst die versuchstechnische Ermittlung von Prozessparametern und Qualifizierung von Fertigungsverfahren. Anschließend werden die hergestellten Hybrid-FVW in Abhängigkeit der organischen und anorganischen Anteile bezüglich ihrer mechanischen Eigenschaften und ihres Brandverhaltens charakterisiert und optimiert.

Nutzen

Eine konsequente Verfolgung des Leichtbaus in der Schifffahrt ermöglicht infolge der Gewichtsersparnis die Reduktion des Kraftstoffbedarfs bzw. den Einsatz effizienterer Antriebe und führt damit zu einer Senkung umweltschädlicher Emissionen. Eine Ausweitung des Einsatzes von FVW auf Konstruktionen in der kommerziellen Schifffahrt besitzt folglich ein erhebliches Potenzial für die gesamte Faserverbund-Zulieferindustrie und trägt somit zur Erweiterung des Produktportfolios bei. Bei Erfüllung der strengen Anforderungen der IMO kann in der Folge eine Ausweitung des Einsatzes organisch-anorganischer Hybrid-FVW auf weitere Branchen wie die Schienenfahrzeugindustrie, den Offshore-Bereich oder das Bauwesen erfolgen. Die erzielten Erkenntnisse und Entwicklungen im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung ermöglichen einen technologischen Vorsprung gegenüber internationalen Mitbewerbern in der Schiffbauindustrie aber auch anderen Geschäftsfeldern, wie dem Hochbau und Schienenfahrzeugbau, in denen Leichtbau, Brandschutz und Nachhaltigkeit eine Rolle spielen. Damit können die neu entwickelten Hybrid-FVW dazu beitragen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Industrie in Deutschland zu steigern und somit die für den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland wichtige maritime Industrie zu stärken.

Die Anforderungen an die Brandbeständigkeit der in der kommerziellen Schifffahrt eingesetzten Materialien unterliegen strengen Bestimmungen der International Maritime Oranization (IMO) als Teil der SOLAS (International Convention fort he Safety of Life at Sea). In vielen Bereichen dürfen nur Materialien eingesetzt werden, die als nicht brennbar klassifiziert sind. Die Brennbarkeit der organischen Matrices stellt folglich ein großes Hemmnis für den Einsatz von FVK im kommerziellen Schiffbau dar.

© Fraunhofer IGP
Schematische Darstellung der beiden Lösungsansätze: (1) Homo-Hybrid-FVW mit gemischter Hybridmatrix, (2) Hetero-Hybrid-FVW mit schichtweisem Aufbau