Im Bereich der Floating-Offshore-Windenergieanlagen gehen die Stahlkonstruktionen über die herkömmlichen Monopile-Strukturen hinaus zu schwimmenden Plattformen mit schiffbaulichen Konstruktionsansätzen. Diese Stahlstrukturen weisen eine wesentlich höhere Anzahl an Schweißnähten und Kantenbereichen auf, wodurch die Konstruktionen besonders anfällig für Korrosionserscheinungen sind und zusätzlich geschützt werden müssen. Um über die Lebensdauer von mehr als 25 Jahren hinweg einsatzfähig zu sein, werden verschiedene Korrosionsschutzsysteme eingesetzt. Beim passiven Korrosionsschutz wird im händischen Prozess ein Beschichtungssystem aus meist organischem Beschichtungsstoff auf dem Stahlsubstrat aufgetragen. In geometrisch kritischen Bereichen, wie den bereits genannten Schweißnähten und Kanten kann es dabei zur sogenannten „Kantenflucht“ kommen, bei der sich die Dicke der Beschichtung an den Kanten verringert. Vor allem im Offshore-Bereich, der sich durch eine hohe atmosphärische Belastung (hohe Luftfeuchtigkeit und Salzgehalt) auszeichnet werden geometrisch kritische Bereiche mehrlagig händisch mit Pinsel oder Farbrolle beschichtet (vorgelegt). Um diesen händischen Prozess zu beschleunigen und eine gleichbleibende Qualität der Beschichtung an kritischen Bereichen zu realisieren soll der Vorlegeprozess automatisiert werden. Im Rahmen des laufenden Forschungsvorhabens OWSplus soll deshalb der mögliche Automatisierungsgrad des Vorlegeprozesses an kritischen Geometrien untersucht werden.
Problemstellung
Im Offshore-Bereich kommt es zu hohen atmosphärischen Belastungen, die zu Korrosionserscheinungen und später zu versagenskritischen Korrosionsschäden an Stahlstrukturen führen können. Um ein Strukturversagen zu vermeiden ist es notwendig, den Beschichtungsstoff an geometrisch komplexen Bereichen per Hand vorzulegen. Dies ist für jede aufzubringende Einzelschutzschicht erforderlich, was bei mehrschichtigen Aufbauten (bis zu 4 Schichten) zu langen Bearbeitungszeiten, geringer Effektivität und hohem Materialverbrauch sowie daraus resultierend zu hohen Kosten führt. Bei komplexen Strukturen kann es zusätzlich notwendig werden, aufwändige Maskierarbeiten auszuführen, woraus sich zusätzliche Verlängerungen der Bearbeitungszeiten ergeben. Diese Tätigkeiten können insgesamt bis zu 70% der Gesamtarbeitszeit beanspruchen.
Zielstellung und Lösungsweg
Ziel dieses Forschungsvorhabens ist die Entwicklung einer Technologie, die es ermöglicht, den händischen Vorlegeprozess der Beschichtungsapplikation zu automatisieren. Durch die Automatisierung dieses Arbeitsschrittes sollen die Arbeitszeit verringert und die Beschichtungsqualität und -wiederholgenauigkeit deutlich erhöht werden. Mittels der an einen Industrieroboter montierten E-Statik-Pistole werden Probekörper mit entsprechend komplexer Geometrie (Schweißnähte, Stegbleche und Schraubengarnituren) automatisiert beschichtet. Aus der Variation diverser Applikationsparameter, wie Pumpendruck, Roboterbahn und Bewegungsgeschwindigkeit des Roboters, resultieren verschiedene Schichtbilder auf den Probekörpern. Mit Hilfe statistischer Auswerteverfahren werden anschließend optimierte Parameter für ein gezieltes Beschichtungsbild herausgearbeitet. In einem Mock-Up-Versuch sollen die entwickelten Verfahren und Technologien schließlich validiert werden.
Nutzen
Die Automatisierung des Vorlegeprozesses führt zu einem höheren Durchsatz der beschichteten Stahlflächen, wodurch die Kosten des Beschichtungsprozesses deutlich reduziert werden können. Weiterhin ergibt sich aus der hohen Wiederholgenauigkeit und der gleichbleibenden Qualität der Beschichtung eine Verringerung der späteren Reparatur- und Nacharbeitungsmaßnahmen, wodurch die Einsatzdauer der beschichteten Offshore-Struktur gesteigert wird. Zusätzlich können die personalgebundenen Arbeiten in dem gesundheitlich kritischen Bereich (lösungsmittelhaltige Umgebung) der Beschichtungsapplikation durch die Automatisierung verringert werden.